Coca-Cola nur ein Getränk ?

"Werde dir bewusst, wie Coca Cola gegen die Arbeiter vorgeht und organisiere dich!"

 

Bugalagrande
Sanin, ein Arbeiter von Coca Cola erzählt mir, welche Erfahrungen er und seine Kollegen mit Coca Cola in Kolumbien machten:
 
Er arbeitete 13 Jahre bei Coca Cola. Als er dann der Gewerkschaft beitrat wurde er entlassen. Welchen Mut haben diese Menschen, wenn sie für die Interessen der Mitarbeiter eintreten – wohl wissend, dass dieser Schritt zur Entlassung und damit zu großer Not führen kann – in einem Land, in dem es kaum noch feste Arbeitsplätze sondern nur schlecht bezahlte Zeit - Arbeiten gibt.
Mehr als drei Jahre war er arbeitslos, bis der Richterspruch eines Arbeitsgerichtes Coca Cola verpflichtete, ihn wieder einzustellen.
Sein Mut hat sich gelohnt - Coca Cola wurde gezwungen, ihn wieder als festen Mitarbeiter einzustellen und nicht als Tagelöhner oder pseudo Subunternehmer wie so viele andere.
 
Das ist Teil der Widersprüche in diesem Land – gerichtliche Verfahren werden verschleppt – Ermordungen bleiben unaufgeklärt. Aber immer wieder wird auch mal ein Fall von den Gerichten bearbeitet: man braucht auch Beispiele einer funktionierenden Gerichtsbarkeit, die man der nationalen und internationalen Öffentlichkeit präsentieren kann. So widersprüchlich es scheint: der Widerstand von Sanin gibt ihm mehr Sicherheit. Er ist eingeschriebener Arbeiter bei Coca Cola und eingeschriebenes Mitglied bei Sinaltrainal. Sinaltrainal hat gute Kontakte nach Deutschland. Die Besuche in unserer Kirche sind Teil des Sicherheitsnetzes für die Menschen hier.
 
Sanin erzählt mir von anderen Fällen: Andere Mitarbeiter haben Auflösungsverträge in einträglicher Höhe unterschrieben und waren zwei Monate später tot. Der Auflösungsvertrag hatte sie in die Anonymität entlassen – so wurden sie leichte Opfer der Paramilitärs.
Coca Cola scheint ein sehr nahes Verhältnis zu diesen Paramilitärs zu haben – die Werke von Coca Cola sind geschützt wie Hochsicherheitstrakte – die von Nestle auch, das habe ich gestern mit eigenen Augen gesehen – und dennoch gehen in ihnen die gefürchteten Paramilitärs aus und ein.
Das ist Teil des kolumbianischen Systems: Gewerkschafter wie Christen und Christinnen, die sich auf die Seite der Armen und Unterdrückten stellen, waren früher Aufständische und seit dem 11. 9. 2001 sind sie Terroristen – und damit zum Abschuss freigegeben und das funktioniert so:
Der kolumbianische Staat hat ein Überwachungssystem aufgebaut, das dem der Stasi in der ehemaligen DDR in nichts nachsteht. Millionen Menschen werden überwacht und ausgehorcht. Die Daten werden im DAS gespeichert, dem nationalen Geheimdienst.
Dort werden sie ausgewertet und den Militärs und Paramilitärs weitergeliefert. Die Beiden haben folgende Arbeitsteilung: zuerst kommen die Militärs um weitere Nachforschungen vor Ort zu machen und dann kommen in der Nacht die Paramilitärs um ihre schmutzige Arbeit zu tun.
 
Um diese zu beschreiben fehlen mir die Worte. Der Atem stockt einem, wenn man die grausamen Geschichte von abgeschnittenen Gliedmassen und Köpfen hört. Frauen, denen die Leibesfrucht entrissen wird und anderen Mitgliedern der Gemeinde, die von den Paramilitärs überfallen wird in den geöffneten Brustkorb gesetzt werden, bevor diese dann den Krokodilen vorgeworfen werden – diese Erzählungen erscheinen aus dem schlimmsten Gruselkabinett entnommen und doch sie sind alltägliche Realität in diesem so schönen Land mit so vielen Ressourcen an fruchtbarem Land und Naturschätzen- aber der Reichtum ist Kolumbien zum Fluch geworden, weil diejenigen, die sich den Reichtum unter den Nagel gerissen haben, mit einer für uns unvorstellbaren Brutalität ihren Raub verteidigen.
 
Wir scheinen weit weg von der Geschichte von dem Coca Cola Arbeiter Sanin zu sein und sind doch mitten in seiner Geschichte.
Immer wieder überlege ich warum Unternehmen die in den nördlichen Regionen unseres Erdballs durchaus zivilisiert mit ihren Mitarbeitern umgehen und wenn nicht zivilisiert,  dann doch vor Morden und Todesdrohungen zurückschrecken im Süden unseres Planeten Erde keine Skrupel zu haben scheinen, sich den Profit mit allen Mitteln zu sichern.
Vielleicht spielt der Staat eine Rolle: wir haben einen Rechtsstaat, der Verbrechen verfolgt und versucht diese aufzuklären.
 
In Kolumbien von Rechtsstaatlichkeit zu sprechen ist entweder Verblendung oder der bewusste Versuch einen hinters Licht zu führen.
Die Verbindung zwischen der Regierung Uribe und den Paramilitärs ist so eng, dass sogar die USA, die ansonsten keine Berührungsängste mit korrupten und gewalttätigen Regimes in Lateinamerika und Afrika haben – vor der Unterzeichnung des Vertrages der Öffnung der Märkte der beiden Länder zurückschrecken.
Immer wieder verliert die Regierung wichtige Leute, weil diesen nachgewiesen wird, dass sie Kommandos der Paramilitärs anführen oder eng mit diesen zusammenarbeiten.
Die Paramilitärs sind das Mittel der Regierung Angst und Terror im Land zu säen und sie sind das Mittel der Internationalen Konzerne um auf der nächsten Aktionärsversammlung in noblen Hotels den zufriedenen Aktionären die neuesten Gewinnsprünge des Unternehmens zu präsentieren – auf dem Rücken der Ärmsten von den Armen erwirtschaftet.
Obwohl Coca Cola immer wieder versucht die Arbeit der Gewerkschaft SINALTRAINAL in den Werken zu unterbinden – gibt es doch mutige Menschen wie Sanin, die das Gespräch mit den Angestellten und besonders mit denjenigen suchen, deren Arbeitsverträge nie länger als 3 Monate sind und deren Arbeitstag oft 12 -14 Stunden übersteigt.
Da ein Gespräch im Werk zu gefährlich wäre - Werksleitung und Paramilitärs sind äußerst wachsam -  trifft man sich im Viertel und an Orten, die sicherer sind.
 
Sanin träumt von einem Unternehmen, das fair mit seinen Mitarbeitern umgeht und wenn das schon zu viel verlangt ist – wenigstens die Grundrechte der Mitarbeiter/innen achtet. Ein langer Weg liegt vor ihm und vor den Menschen, die denselben Traum haben.
 
Ralf Haeussler