Bogota / Kolumbien, Mittwoch, den 18. Juli 2007

 

Nun bin ich schon zwei Tage im Land und habe die ersten Eindrücke hinter mir: Bogota liegt auf 2600 Meter Höhe, dementsprechend kühl ist es hier. Ich bin im Haus der Nahrungsmittel Gewerkschaft Sinaltrainal untergebracht, das in einem relativ sicheren Viertel der Hauptstadt Kolumbiens liegt. Dennoch fallen einem sofort die Sicherheitsmaßnahmen auf: Der Zaun hinter dem Haus ist mit Stacheldraht gesichert. Die Tür ist aus dickem Holz, das nicht so einfach eingedrückt werden kann. Von außen weist nichts auf die Gewerkschaft hin -  große Namensschilder könnten es den bezahlten Killern leichter machen, das Haus zu finden.
 

Edgar, der im Juni in Ulm und in Wiblingen war, hat mich vom Flughafen abgeholt. Anschließend machten wir eine kleine Runde, um einen ersten Eindruck vom Viertel zu bekommen.
Unser Weg führte uns an einen kleinen Stand mit Früchten vorbei: Frische Ananas, Mangos, die gerade reifen, und vieles mehr – der Reichtum der Natur schlägt sich in einer Vielfalt von Früchten nieder.
Beim Anflug auf Bogota konnte man die riesigen Rosenplantagen in der Hochebene sehen: Früher war hier die Kornkammer Bogotas, weil der Boden sehr fruchtbar ist. Großgrundbesitzer haben sich den Boden unter den Nagel gerissen und bauen nun Rosen fuer den Export – auch nach Deutschland an. Brot für die Welt hilft den betroffenen Kleinbauerfamilien, - die nun zu Plantagenarbeitern degradiert sind und zusehen müssen wie ihr Land ausgebeutet wird und mit Chemikalien verseucht wird – um für ihre Landrechte zu kämpfen und einen neuen Lebensunterhalt aufzubauen.

In den Gesprächen die ich mit Edgar, mit Samuel, mit Studierenden der Sozialen Fakultät und Domingo, dem Verantwortlichen für die Menschenrechtsarbeit des Gewerkschaftsverbandes am Dienstag, den 17. Juli führte wurde deutlich, wie zugespitzt die Lage in einem Land ist, dass vom Mammon besessen ist: die Gier nach immer mehr Geld. Land und Leute werden gnadenlos von den Reichen ausgebeutet und der Staat hat sich zum Handlanger dieser Leute gemacht. Das Bild von Edgar vor dem Sozialministerium ist sinnbildlich: die Regierung tut nichts für eine Verbesserung der sozialen Situation der einfachen Leute - das müssen Menschen wie Edgar und ihre Organisationen tun – in einem Land, wie, William,  ein junger Mitarbeiter von Edgar sagte, wo “diejenigen, die etwas für die anderen tun, die sich für andere einsetzen immer mit einem Bein im Gefängnis oder gar im Grab sind.”

Dies wird auch deutlich im Gespräch mit Samuel: er ist erst seit April 2007 aus dem Hochsicherheitstrakt des kolumbianischen Geheimdienstes freigekommen. Dort saß er beinahe 3 Jahre, weil er Zeuge der Ermordung von drei Gewerkschaftern am 5. August 2004 durch die Streitkräfte geworden war. Kurz nach der Ermordung wurde er verhaftet und des Hochverrats und des Terrorismus angeklagt. Die verantwortlichen Soldaten wurden auch angeklagt, sind aber schon seit langem wieder frei –währnd Samuel erst jetzt freikam und immer noch unter Verdacht steht – das sind kolumbianische Rechtsverhältnisse: die Opfer und Zeugen werden zu Terroristen erklärt, die Mörder begnadigt und legalisiert.

Von Samuel begleitet machte ich mich am Dienstag zu einem Gespräch in der Gewerkschaft der  Elektriziätswerke auf. Wie in allen Ländern der Welt werden die öffentlichen Güter privatisiert, verbunden mit einem massiven Abbau der Arbeitsplätze und in Kolumbien mit einem Abbau der Arbeitsrechte und Menschenrechte. Das Foto zeigt Samuel vor dem Gebäude der Gewerkschaft - auch dieses gesichert und ohne jeden Hinweis darauf, wer in dem Gebaeude wohnt, bzw. sein Büro hat.

Das Gespräch am Nachmittag mit den Studierenden war sehr interessant: ich spürte wie die jungen Leute um die Zukunft ihres Landes besorgt sind und sich für ein anderes, ein besseres Kolumbien einsetzen: sie unterstützen vor allem indigene und Kleinbauerngemeinden auf dem Land. Dort werden die Menschen vertrieben, damit nach Gold gesucht werden kann, damit der steigende Hunger nach Erdöl befriedigt werden kann und die neueste Variante: damit der Urwald abgeholzt werden kann, um die sogenannte Afrikanische Palme anbauen zu können, um Biodiesel oder besser Agrodiesel zu erzeugen. Mit Bio hat das gar nichts zu tun: Wald wird abgeholzt, Chemikalien werden eingesetzt um die Monokulturen wachsen zu lassen und Kleinbauern, die sich dem Anbau widersetzen werden bedroht, vertrieben oder gleich umgebracht.

Ich spüre bei den Menschen die ich bisher getroffen haben, dass sie sich voll und ganz dem Einsatz für den Erhalt der Natur und den Schutz der Verfolgten widmen und damit selbst zu verfolgten werden. Sie lassen sich nicht unterkriegen, erzählen selbstbewusst von Erfolgen gegen mächtige internationale Konzerne und gegen die allgegenwärtige Gewalt im Land, aber auch von ihren Ängsten, wenn die Todesdrohungen kommen, wenn es heißt: wir haben dich und deine Kinder im Blick: wenn du nicht schweigst, wird deinen Kindern etwas Schlimmes passieren. Mit Domingo, dem Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation gehe ich nach dem Gespräch noch zum Abendessen. In einer kleinen Gaststätte sitzen wir am Tisch und währdend des Essens spürt man wie müde und ausgezehrt er ist. Der alltägliche Kampf gegen die Gewalt und die Unterdrückung zehrt an den Menschen – sie sind dankbar, dass wir uns für ihre Situation interessieren, dass wir bereit sind, uns mit ihren Erfahrungen und ihrem Leiden auseinander zu setzen. Dieser Dienstag geht zu Ende. Ich freue mich über die Begegnungen der vergangenen Tage, über das Vertrauen, das mir entgegen gebracht wird und ich bin auch erschöpft nach all dem was an diesem Tag auf mich eingestürmt ist. Nun kommt die Ruhe der Nacht.  Es ist jetzt 8:00 Uhr am Mittwochmorgen. Heute gibt es ein Treffen mit Vertretern der Kirche. Bald gibt es wieder neues aus Kolumbien zu berichten.  

Ralf Häußler