Das Leid der Kinder in Kolumbien während des bewaffneten Konfliktes

Aktivistinnen der Kampagne.|Quelle: El Tiempo Latino, 11.04.2014, Autorin: MILAGROS MELÉNDEZ-VELA

Im Zeitraum von 5 Jahren wurden über 41 tausend Minderjährige vergewaltigt.

Die Zeitung El Tiempo Latino veröffentlichte am 11.4.2014 einen Artikel über die erschreckende Situation der Kinder in Kolumbien. Diese erfahren nicht nur soziale Gewalt, sondern werden oftmals von Paramilitärs bzw. bewaffneten Männern vergewaltigt.

Sandy Díaz wurde bereits im Alter von 11 Jahren mehrfach von Paramilitärs vergewaltigt. Nun im Alter von 25 Jahren setzt sie sich in Washington für die Verurteilung dieser Taten ein.

Jedoch ist sie leider kein Einzelfall. Im März veröffentlichte die Kampagne „Violaciones y otras Violencias: Saquen mi Cuerpo de la Guerra” (Vergewaltigungen und andere Gewalttaten: Rettet meinen Körper vor dem Krieg) eine Studie zum Thema des Missbrauchs von Minderjährigen während des bewaffneten Konfliktes. Laut dieser wurden zwischen 2008 und 2012 48.915 Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern unter 18 Jahren in Kolumbien registriert, wobei dies nur die Fälle sind, die offiziell gemeldet wurden. Die Dunkelziffer wird weitaus größer geschätzt. Von den in der Studie verzeichneten Opfern, die von einer bewaffneten Person missbraucht wurden, waren 41.300 Mädchen und 7.600 Jungen.

Man schätzt, dass täglich 27 Minderjährige in Kolumbien sexuell misshandelt werden.

Quelle: Online-Artikel der Zeitschrift El Tiempo Latino vom 11.04.2014, Autorin: Milagros Meléndez-Vela, >http://eltiempolatino.com/news/2014/apr/11/miles-de-ninas-violadas-en-colombia-durante-el-con/<.

TPP Grundsatzartikel

2. - 4. August 2007 

Das Tribunal der Völker TPP in Bogota/Kolumbien

untersucht die Verbrechen der Ölkonzerne

 

Der kolumbianische Ölkonzern Ecopetrol wird verkauft. Während direkt neben den Bürogebäuden von Ecopetrol mit einer kulturell-politischen Veranstaltung das Permanente Tribunal der Völker eröffnet wurde,  gab die Regierung Uribe in den Abendnachrichten die  Teilprivatisierung der gewinnträchtigen noch-staatlichen Unternehmens bekannt. Der Verkauf eines weiteren Teils des kolumbianischen Reichtums ist beschlossene Sache.

Aus Ecopetrol wird bestimmt keine „Volksaktie“ - schon jetzt haben die internationalen Ölfirmen einen Fuß im Konzern. Und nimmt der Einfluss der internationalen Konzerne zu, dann steigt die Gewalt. Dann werden noch mehr Menschen bedroht, vertrieben und umgebracht. Noch mehr Natur wird unwiederbringlich zerstört.

Diesen Vorwürfen ging das Permanente Tribunal der Völker, das vom 2 – 4. August 2007  in Bogota tagte nach. Durch Zeugenaussagen, durch politische und soziale Analysen sollten Menschenrechtsverletzungen, sowie  Auswirkungen auf die Umwelt der in Kolumbien agierenden internationalen Ölkonzernen OXI (USA), Repsol (Spanien) und BP (Großbritannien) untersucht werden. Ein besonderer Augenmerk wurde dabei darauf gelegt, ob diese Konzerne mit dem staatlichen Repressionsapparat oder sogar mit den Paramilitärs, die wohl besser als Todesschwadronen bezeichnet werden könnten, zusammenarbeiten.
Das Tribunal wurde von Nichtregierungsorganisationen durchgeführt. Es steht damit in der Tradition des Russell-Tribunals, das seine Sitzungen 1967 in London  aufnahm und sich mit den Menschenrechtsverletzungen, die im Vietnamkrieg stattfanden, beschäftigte.

 

1989-1991 wurden auf verschiedenen Völkertribunalen in Lateinamerika die Verbrechen der dortigen Militärdiktaturen untersucht und verurteilt.
 
Neben der moralischen und ethischen Aufarbeitung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit arbeitet das Tribunal die Fakten auch soweit auf, dass sie internationalen Rechtsansprüchen genügen und in juristischen Verfahren auf nationaler und internationaler Ebene weitergeführt werden können.
 
So haben z.B. die Anklagen, die gegen Coca Cola und Nestle in vorhergehenden Tribunalen in Kolumbien erhoben wurden, zu Anklagen und teilweisen Verurteilungen dieser Firmen vor nationalen und  internationalen Gerichten geführt.
 

In Kolumbien gab es seit April 2006 mehrere thematische Sitzungen des Tribunals in denen die Verbrechen, die international agierende Konzerne verüben, behandelt werden. Es gab Anhörungen zu Themen der Ernährung, Biodiversität und zum Bergbau/Minen.

Die Anhörung zu den internationalen Ölkonzernen war gut vorbereitet. Seit Monaten wurden Zeugnisse gesammelt und aufgearbeitet. Einzelzeugnisse und Berichte wechselten sich ab mit wissenschaftlichen Untersuchungen zu den angeklagten Firmen und dem kolumbianischen Staat.

Das Tribunal fand inmitten einer gesellschaftlichen Debatte statt, die sich daran entzündete, dass immer mehr Persönlichkeiten der kolumbianischen Gesellschaft, dem Staatsapparat, der Kirche, Justiz und Wirtschaft nachgewiesen wurde, wie eng sie mit der Drogenmafia und den Paramilitärs zusammenarbeiten.

Der Senator des Alternativen Demokratischen Pols Gustavo Petro sprach davon, dass ein Drittel der kolumbianischen Gesellschaft von Drogenmafia und Paramilitärs bestimmt sind. „Es sind die Gleichen, die morgens Gesetze machen, am Nachmittag Kokain verkaufen und in der Nacht die Todesschwadronen zur Ermordung unliebsamer Persönlichkeiten schicken. Es geht dabei nicht nur um die Ermordung Einzelner. Es geht um ein Klima des Terrors und der Angst, das gesät werden soll, um die Menschen einzuschüchtern. Die Taten sind so grausam, damit alle welche die Opfer sehen oder nur davon hören, nie wieder den Mund aufmachen, nie wieder den Mut haben, sich gegen das Unrecht und die Ausbeutung zu stemmen.“ Kein Wunder, dass Gustavo Petro vom Präsident als Staatsfeind Nummer 1 angesehen wird - heutzutage spricht man in einem  solchen Fall davon, dass er „Terrorist“ ist...

Die Brutalität, die gegen die Zivilbevölkerung angewandt wird, lässt einen das Blut in den Adern gerinnen. Kinder werden von privaten Sicherheitsfirmen erschossen, weil sie  beim Spielen aus Versehen in die „Sicherheitszone“ gelangen, welche die Erdölfirmen um ihre Bohrstellen ziehen. Gemeinschaften und Dörfer, die nicht bereit sind, den geplanten Erdölfeldern zu weichen, werden in den Nächten überfallen. Einzelne werden aus ihren Häusern geholt, auf dem Dorfplatz zusammengetrieben und dort vor den Augen der entsetzten Dorfbevölkerung exekutiert.

Es geht den Militärs und dem kolumbianischen Staat im Einklang mit den internationalen Konzernen darum, ein Klima der Angst und der Einschüchterung zu schaffen, damit die freie Wirtschaft sich ungehemmt entfalten kann. Die Gewerkschaft der Erdöl-  und Minenarbeiter ist praktisch ausgelöscht. Kolumbien ist an erster Stelle weltweit bei der Ermordung und Repression von Gewerkschaftsführern. In den letzten 20 Jahren wurden 3000 gewerkschaftlich Organisierte ermordet.

Über Mittel des USA-Plans „Colombia“, der in internationalen Medien als Maßnahme zur Drogenbekämpfung verkauft wird, werden Eliteeinheiten des kolumbianischen Staats ebenso finanziert wie Paramilitärs, die dafür sorgen sollen, dass die Gebiete, in denen nach Erdöl gesucht werden soll, von der Zivilbevölkerung „gereinigt“ werden.

Das Tribunal zeigte eindeutig den Zusammenhang dieser Ermordungen mit den wirtschaftlichen Interessen, die im Land herrschen auf.

 

Die Anhörungen im August 2007 zu den Menschenrechtsverletzungen der Erdölkonzerne waren öffentlich. Ein Gremium von internationalen Fachleuten aus den Bereichen der Menschenrechtsarbeit, der Justiz, Ethnologie und Soziologie nahm die Anklagen auf und erarbeiteten ein Schlussdokument, das der nationalen und internationalen Öffentlichkeit vorgestellt. Das Gremium aus Fachleuten kam zu dem einstimmigen Beschluss, dass die Straftaten sauber recherchiert und gut dokumentiert werden.

Die massiven Menschenrechtsverletzungen, die mit Kategorien des Völkermordes und der Vertreibung von Volksgemeinschaften zu vergleichen sind wurden nachgewiesen, ebenso wie die enge Zusammenarbeit der US-Amerikanischen  OXY, der spanischen Repsol und der britischen BP mit dem Repressionsapparat des kolumbianischen Staates, der aus den regulären Truppen und den Paramilitärs besteht. Die Zerstörung ganzer Ökosysteme wurden durch die Berichte deutlich.

Der Richterspruch dient damit  auch als Grundlage für weitere Untersuchungen und Anklagen auf nationaler und internationaler Ebene. 

Für mich als beisitzender Richter des Tribunals war der Mut der Menschen, die vor dem Tribunal in aller Öffentlichkeit sprachen, beeindruckend. Ich habe als Theologe und Pfarrer der württembergischen Landeskirche die evangelisch-lutherische Kirche vertreten, die von der kolumbianischen Nahrungsmittel Gewerkschaft SINASLTRAINAL gebeten worden war, einen kirchlichen Vertreter auf Deutschland auf das Tribunal zu senden.

Für die nächste Zeit sind Audienzen zu den Themenbereichen Öffentlicher Dienst und Finanzwesen geplant. Das Abschlusstribunal findet dann im Juli 2008 statt.

 

 

Ulm, den 1.10.2007 Ralf Häußler